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Foto: Matthias Friel
Die Begriffe „jüdischer Komponist” und „jüdische Musik” hatten bereits im 19. Jahrhundert Anlass zu Diskussionen gegeben. Obwohl Werke jüdischer Komponisten zu jener Zeit kaum stilistische Besonderheiten im Vergleich zu denen ihrer Zeitgenossen aufwiesen, wurde doch viel darüber spekuliert, was typisch jüdisch an ihnen wäre. Assimilierte und getaufte jüdische Komponisten betrachteten sich jedoch nicht als jüdische Komponisten, sondern als integrierten Bestandteil der Musiktradition ihres jeweiligen Heimatlandes, beziehungsweise sogar der europäischen Musik im Allgemeinen. Erst um die Jahrhundertwende, besonders nach dem 1. Weltkrieg, begannen sich einige jüdische Komponisten für ihre jüdischen Wurzeln zu interessieren. Um diese Zeit entstand in Russland eine nationale jüdische Schule. Diese Komponistenvereinigung entwickelte zum ersten Mal in der Musikgeschichte einen jüdischen Stil in der Kunstmusik, der Elemente ostjüdischer Folklore und liturgischer Musik enthielt. Viele jüdische Komponisten wurden später durch die Verfolgungen in Nazi-Deutschland und im stalinistischen Russland zwangsweise mit ihrer jüdischen Herkunft konfrontiert, manche von ihnen verarbeiteten diese Erfahrungen in ihren Werken. Jüdische Erfahrung spielt auch im Schaffen einiger Komponisten der Gegenwart eine wichtige Rolle. Es geht dabei um die Verbindung zwischen Tradition und Moderne, sowie um eine neuerliche Selbstfindung und Selbstidentifikation in einer Welt ohne Grenzen.
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