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Foto: Matthias Friel
John Dewey (1859-1952) war der wichtigste pragmatistische Philosoph und einer der bedeutendsten Intellektuellen der USA in der ersten Hälfte des 20. Jhs.. „Pragmatismus” bedeutet in dieser Philosophie weder „Opportunismus” noch „Utilitarismus”, sondern Umbau der klassischen Moderne angesichts ihrer nicht-intendierten und problematischen Folgen in Richtung auf eine radikale Demokratie. Dewey integriert den Menschen und seine geistigen Leistungen in den geschichtlichen Wandel innerhalb der lebendigen Natur. Idealismen werden naturalisiert und historisiert. Zugleich wendet sich aber Dewey gegen einen reduktiven Naturalismus, der die qualitative Spezifik der lebendigen Natur und des Geistes leugnet, subjektiviert oder zum Epiphänomen erklärt. Deweys Versuch, den neuzeitlichen Dualismus (seit Descartes) in geschichtlichen Prozessen der Verbesserung des individuellen und kollektiven Verhaltens zu überwinden, ist in den Neopragmatismen (seit R. Rorty, H. Putnam u. v. a.) erneut zu einer Herausforderung der Gegenwartsphilosophie geworden.
Das Seminar behandelt das zusammenfassende Hauptwerk von Dewey, „Experience and Nature”, das erstmals 1925 erschien, 1929 ein neues Vorwort vom Autor erhielt und eine neue, aber unvollendete Einleitung von 1949 enthält, an der sich der Streit über die Renaissance oder das Revival des Pragmatismus entzündete. Das Buch führt Deweys Art und Weise exemplarisch vor, wie nämlich Philosophien historisiert werden können, indem man selbst den Zusammenhang zwischen Natur, Leben, Bewusstsein, Sprache, Gesellschaft, Kultur neu entwickelt. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei dem Zusammenhang zwischen Instrumentierungen, Evaluationen und der Philosophie als allgemeiner Wertekritik in der gesellschaftlichen Kommunikation.
- John Dewey, Erfahrung und Natur, übersetzt von M. Suhr, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1999
- John Dewey, Experience and Nature, in: John Dewey, The Later Works, ed. By J. A. Boydston, vol. 1, Carbondale: Southern Illinois University Press 1991
- Hans-Peter Krüger, Prozesse der öffentlichen Untersuchung. Zum Potential einer zweiten Modernisierung in John Deweys Logic. The Theory of Inquiry, in: Hans Joas (Hrsg.), Philosophie der Demokratie. Beiträge zum Werk von John Dewey, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2000, S. 194-234
- Richard Rorty, Dewey zwischen Hegel und Darwin, in: Hans Joas (Hrsg.), Philosophie der Demokratie, s. o., S. 20-43
- Hilary Putnam, Für eine Erneuerung der Philosophie, Stuttgart: Reclam 1997, insbesondere 9. Kap.: Deweys Politikbegriff – eine Neubewertung, S. 227-252 mit Anmerkungen S. 275-277
- Michael Hampe (Hrsg.,), John Dewey: Erfahrung und Natur, in: O. Höffe (Hrsg.), Klassiker Auslegen. Bd. 66, Berlin: De Gruyter Verlag 2017
Die regelmäßige und aktive Teilnahme am Seminar ist notwendig, um das inhaltliche Ziel der Einsicht in den philosophisch differenzierten Gesamtzusammenhang zu erreichen. Es werden die für das Thema einschlägigen Kapitel von Deweys Buch und dessen Interpretationen durch andere Autoren von den Studierenden selbständig vorgestellt und diskutiert. Aus einem solchen Vortrag oder Kommentar wird in der Regel ein fünfseitiger Essay erstellt, in dem der behandelte Text mit anderen Texten bis zum Ende der Lehrveranstaltung verglichen wird. Abweichungen von dieser Regel bedürfen der ausdrücklichen und vorherigen Absprache mit mir. Für diese Gesamtleistung werden 4 LP in PULS vergeben.
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