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Foto: Matthias Friel
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Die reduktiven Methoden der biologischen Life Sciences stellen eine Herausforderung für das ganzheitliche Verständnis von Personen in ihrer Lebensführung dar. Müssen wir unsere personale Lebensführung an Experten und Techniker abgeben, oder können wir die biologisch-lebenswissenschaftlichen Leistungen für spezifische Kontexte in unsere Lebensführung mitweltlich integrieren? Für den letzteren Fall rekonstruiert Helmuth Plessner in seiner Naturphilosophie ein lebensweltliches Naturverständnis, das phänomenologisch in der Erscheinungsweise von anorganischen Körpern ansetzt und in deren Entfaltung durch viele Stufen bis zum menschlichen Leben durchführt. Statt dualistisch Objekt und Subjekt zu trennen, hebt er auf die kategorialen Zusammenhänge zwischen Objektivem und Subjektivem im ganzheitlichen Verhalten für die Beantwortung dreier Fragen ab: 1. Wie lässt sich der Unterschied zwischen unbelebten Dingen und lebendigen Körpern in der lebenswirklichen Erscheinungsweise verständlich machen? Für die Antwort entwickelt Plessner die These, dass lebendige Körper ihre eigene Grenze vollziehen, die er zu einer Theorie der Lebensmodale ausbaut. 2. Wie lässt sich die Vielfalt der Lebensprozesse doch ganzheitlich in einem Rahmen erläutern? Für die Antwort unterscheidet Plessner zwischen offenen versus geschlossenen Organisationsweisen lebender Körper, die mit deren Positionierungsweisen (in ihrer Umgebung bzw. Umwelt) korrespondieren. 3. Wie lässt sich der Unterschied und der Zusammenhang zwischen der Lebenssphäre von Tieren, insbesondere Menschenaffen, und der Lebenssphäre von Menschen begreifen? Für die Beantwortung dieser philosophisch-anthropologischen Frage unterscheidet Plessner zwischen zentrischen Positionalitätsformen, die das Leben von Tieren ermöglichen, und ex-zentrischen Positionalitätsformen, die personales Leben ermöglichen. Personales Leben steht durch den ex-zentrischen Bruch mit kon-zentrischen Leibformen in der stets erneuten Aufgabe, gleichwohl eine Verhaltenseinheit im Vollzug zu gewinnen. Dafür unterscheidet Plessner zwischen den Weisen der natürlichen Künstlichkeit, der vermittelten Unmittelbarkeit und des utopischen Standortes (zwischen Nihilismus und Transzendenz).
Diese naturphilosophische Einbettung personalen Lebens ist als Alternative zu Heideggers existenzial-hermeneutischer Wendung der Phänomenologie entworfen worden. Für Plessner hat Heideggers Frage nach dem Sinn von Sein (im Unterschied zum Seienden) von der Frage nach der Natur und dem Leben abgelenkt, um das menschliche Dasein aus seinem Selbstverhältnis heraus zur Selbstermächtigung zu führen, was Hannah Arendt „absolute Selbstischkeit“ genannt hat. Plessner hat dem gegenüber die Vielfalt des Lebens von seinen elementarsten bis zu seinen verwickelsten Formen an die Realisierung der ihm je eigenen Grenzen gebunden, was, liest man ihn aus heutiger Sicht ökologisch, der Berücksichtigung der Nachhaltigkeit ganzer Lebensprozesse entspricht.
Plessner, H., Die Stufen des Organischen und der Mensch. Einleitung in die philosophische Anthropologie, Berlin-New York (de Gruyter Verlag) 1975 (Die Ausgabe in den „Gesammelten Schriften“ des Suhrkamp Verlages, Bd. IV, Frankfurt a. M. 1981, ist zwar auch möglich, aber ihre Paginierung ist ungebräuchlich)
Zur Einführung:
H.-P. Krüger, Personales Leben – eine philosophisch-anthropologische Annäherung, in: Inga Römer/Matthias Wunsch (Hrsg.), Person: Anthropologische, phänomenologische und analytische Perspektiven, Münster (mentisVerlag) 2013, S. 123-145
Sitzungsplan
4 LP für aktive Mitarbeit und Vortrag, der auf ca. 5 S. verschriftlicht wird oder andere äquivalente Leistung nach Absprache
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