PULS
Foto: Matthias Friel
"Was für eine sonderbare Familie sind wir!", befand Klaus Mann 1936 in seinem Tagebuch: "Man wird später Bücher über uns – nicht nur über einzelne von uns – schreiben!" Dies hat sich exakt bewahrheitet: die nicht nur im amerikanischen Exil als "amazing family" gehandelte Personengruppe, die sich durch die Heirat von Paul Thomas Mann (1875–1955) und Katharina „Katia“ Pringsheim (1883–1980), also aus den Familien der Lübecker Manns und der schlesischen Pringsheims in München konstituiert, ist mehrfach Gegenstand der wissenschaftlichen, noch mehr der populärwissenschaftlichen Darstellung oder gar des Films (2001) geworden. Manfred Flügge rief 2015 kurzerhand „das Jahrhundert der Manns“ aus.Vom Bruderzwist zwischen Thomas und Heinrich Mann (1871–1950) über die Suizidfälle Carla (1910), Julia (1927) und Klaus (1949) bis zu den Streitigkeiten der Überlebenden in den 1990er Jahren spannt sich bei „Thomas Mann und den Seinen“ (Marcel Reich-Ranicki 1987) nicht nur einfach ein Familienmythos, sondern ein kollektives Psychogramm, das die Aufmerksamkeit immer wieder auf sich zieht, auch und vor allem im Blick auf die vielfältige künstlerische und wissenschaftliche Produktion aller Beteiligten. Marianne Krüll verkürzt dies auf "ein nationaltypisches Patriarchat, das Opfer für die Kunst benötigte". Eine interessante Folie bildet hier zunächst tatsächlich der erfolgreiche Familienroman (1901) des Nobelpreisträgers Thomas Mann: "Wie in den 'Buddenbrooks' dargestellt, mischen sich in einer dramatischen Beziehungsgeschichte der Generationen, Geschwister und Geschlechter bürgerliche Verlusterfahrungen mit extremen künstlerischen Sehnsüchten und Leiden." (Willi Jaspers 2015).
Nahezu zeitgleich aber entwickelt sich ein bis heute praktiziertes Verfahren, bei dem Personen als Stellvertreter für einzelne Familienmitglieder in eine räumliche Anordnung gebracht werden, um bestimmte Spannungsformen, Wahrnehmungsmuster und Konfliktbilder ablesen zu können: die "Familienaufstellung" geht auf die Thesen und Untersuchungen des österreichischen Arztes und Psychiaters Jacob Levy Moreno (1889-1974) zurück, der hier Vorstellungen von "Pyschodrama", "Soziometrie" und "Gruppenpsychotherapie" entwickelte.
Das Seminar setzt hier an und beschäftigt sich zunächst exemplarisch mit den einzelnen Personen, um dann nach den jeweiligen Konstellationen, vor allem aber auch nach der Wahrnehmung, der Rolle und der Wirkung des hierbei vorsätzlich ausgesparten "Vaters, der nicht wie andere stirbt, sondern bleibt" (Klaus Mann), zu fragen. Voraussetzung für die Teilnahme ist die Bereitschaft zur Übernahme eines Referats und zur Bewältigung größerer Textmengen.
© Copyright HISHochschul-Informations-System eG