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Foto: Matthias Friel

Die hohe Kunst der Wissenschaftsprosa. Theorie, Geschichte, Selbsterfahrung - Einzelansicht

Veranstaltungsart Seminar Veranstaltungsnummer
SWS 2 Semester WiSe 2018/19
Einrichtung Institut für Germanistik   Sprache deutsch
Weitere Links Kommentar
Belegungsfrist 01.10.2018 - 20.11.2018

Belegung über PULS
Gruppe 1:
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    Tag Zeit Rhythmus Dauer Raum Lehrperson Ausfall-/Ausweichtermine Max. Teilnehmer/-innen
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Seminar Mo 16:00 bis 18:00 wöchentlich 15.10.2018 bis 04.02.2019  1.09.2.16 PD Dr. Keller 24.12.2018: Akademische Weihnachtsferien
31.12.2018: Akademische Weihnachtsferien
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Kommentar

Wer einzelne Beobachtungen an einem Objekt in ursächliche Zusammenhänge oder komplexe Bedingungsgefüge bringt, gelangt zu Erkenntnissen über die Welt. In dieser Weise produzieren Wissenschaftler verschiedener Disziplinen täglich wachsende Ergebnismengen, klassifizieren und systematisieren sie in zusammenhängenden Strukturen und unterbreiten damit ein allgemeines Angebot, diese Ergebnisse zu übernehmen oder weiterzuentwickeln. Dieses Angebot aber erfolgt fast ausschließlich über das Wort.

Der sprachgebundene Transport von wissenschaftlichen Erkenntnissen ist ein eigentümlicher Vorgang, der spezifische Kompetenzen verlangt. Ansonsten könnten bei der Übertragung Blockaden (Unverständnis) oder Verluste (Mißverständnis) auftreten. Was nachlässig oder gar zu simpel (”leichte Sprache”) formuliert ist, wird dem Befund nicht mehr gerecht oder langweilt den Angesprochenen, der sich aber genauso auch dann abwendet, wenn man ihm mit einer demonstrativ komplizierten Sprache („fachchinesisch”) kommt, die ein gedankliches Niveau nur vortäuscht. Beides nützt weder dem Sachverhalt noch dem Nutzer. So kann Erkenntnis durch mangelhafte Darstellung auch einfach verloren gehen, womit weder der Wissenschaft, noch ihrem gesellschaftlichen Auftrag gedient wäre. Hier ist also besondere Sorgfalt angebracht.

Was alle Fächer insgesamt betrifft, gilt insbesondere für die Geisteswissenschaften, vor allem für die Philologie: deren ureigenes Geschäft ist ja das Sprachvermögen als solches, der Zusammenhang zwischen Sprache und Denken, der genau zu bestimmende Akt der verbalen Abstraktion, die adäquate Abbildung von Wahrnehmung, Aussage und Schlussfolgerung in Satz und Begriff.

An diesem Punkt setzt das Seminar an, nicht zuletzt auch mit der unausgesprochenen Frage im Hintergrund, ob denn die aktuellen Akzeptanzprobleme der Geisteswissenschaften nicht einfach auch dem eigenen Versagen im Vermittlungsgeschäft zuzuschreiben sind. Die Wahrnehmung in der Gesellschaft sinkt, weil inhaltlich nichts ankommt. Deshalb sollen zunächst einige historische Repräsentanten der erfolgreichen Wissenschaftsprosa, ganz ohne Ansehen ihres Faches betrachtet werden: Warum bekam der Historiker Theodor Mommsen 1902 den Literaturnobelpreis für seine Texte? Warum ist der seit 1964 jährlich für wissenschaftliche Prosa verliehene Preis nach dem Psychoanalytiker Siegmund Freud benannt? Warum animierte der Chemiker Justus Liebig 1854 niemand Geringeren als die Brüder Grimm zu allerhöchstem Lob in ihrem „Deutschen Wörterbuch”, wo es heißt: „die Chemie kauderwelscht in latein und deutsch, aber in Liebigs Munde wird sie sprachgewaltig”. Und warum erzielte Wilhelm Bölsche mit "naturwissenschaftlichen Plaudereien" bzw. mit seinem populärwissenschaftlichen Buch "Das Liebesleben in der Natur" (1898) Millionenauflagen? Dagegen wäre dann kritisch zu prüfen, was speziell in der Germanistik, in ihrem überaus weitläufigen Aktionsfeld zwischen antiker Rede und moderner Narratologie, nicht zuletzt aber etwa auch im Engpaß zwischen  „Denglisch” und „Antragsprosa” jeweils geliefert wurde.

Neben der anregenden Konsultation prominenter Theoretiker zur Wissenschaftssprache (u.a. Gottfried Wilhelm Leibniz, Heinrich von Kleist, Wilhelm von Humboldt, Ludwig Wittgenstein, Karl Popper, Harald Weinrich, Siegrid Weigel), neben informativen Seitenblicken auf hilfreiche Disziplinen wie Rhetorik oder Begriffsgeschichte, soll dann aber vor allem die Übung und Selbsterfahrung des wissenschaftlichen Schreibens im Mittelpunkt stehen: die Beobachtung, Analyse und Verbesserung der eigenen Fertigkeiten (Examensarbeit, Artikel, Monografie) bzw. deren praktischer, d.h. berufsförderlicher Nutzen .

Gibt es hier überhaupt die Möglichkeit eines effizienten "coachings"? Dazu wären im Vorlauf Grundlagen der Recherchetechnik (Sondierung und Rekrutierung von relevantem Wissen) oder der Didaktik des Lesens (Entwicklung und Stärkung von Lesetechniken wie Exzerpt, freie Rekapitulation und memorative Paraphrase) zu klären. Eine Schreibdidaktik im engeren Sinne bezöge sich dann auf die mündliche wie schriftliche Vermittlungstechnik von Information und Wissen (Argumentation, gegenstandsgerechte Darstellungsstrategie und -struktur) bzw. eine überzeugende und leserfreundliche Aufbereitung (Ausdrucksweise und Stilistik). Ferner zu bedenken gälte es die Kunst des Kürzens, die Kunst des Verlängerns (durch Exkurse u.a.), die Funktion und Wirkung von Zitaten, die Rolle des Witzes in der Wissenschaft. Welche Wichtigkeit kommt dagegen den bedingenden Faktoren des Schreibens zu, wie Inspiration und Brainstorming, Zeitmanagement, Schreibblockaden, produktiven Distanzierungstechniken? Wichtig als Motivation und Mittel zur Qualitätssteigerung bleibt dabei ein eigentümliches Phänomen: die Freude am eigenen Text ...


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Keine Einordnung ins Vorlesungsverzeichnis vorhanden. Veranstaltung ist aus dem Semester WiSe 2018/19 , Aktuelles Semester: SoSe 2024