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Foto: Matthias Friel
Ein Schriftsteller, 137 geplante, 91 vollendete Romane, daneben eine gewaltige Sammlung an Kommentaren, Essays und Erzählungen, die sich alle einem vollkommen neuartigen Vorhaben widmen, welches die Literatur und mit ihr die gesellschaftliche Relevanz narrativer Darstellungsformen revolutionieren sollte: Mit seinem „sozialen Botanisieren, Geologisieren und Paleontologisieren” (Henry James) wurde Honoré de Balzac (1799–1850) neben dem älteren Kollegen Stendhal und dem jüngeren Flaubert zur führenden Figur des literarischen Realismus und zu einer der wichtigsten Figuren der europäischen Literaturgeschichte.
Ein Kosmos an Figuren und Charakteren, Frankeich und sein Zentrum Paris, seine Milieus, das politische wie das private Leben zwischen Monarchie, Religion und Familie, Unterschiede in Sitten und Gebräuche, kurz das, was wir heute als die frühmoderne Gesellschaft, geprägt von Bürgertum und Kapitalfluss kennen, sollte in einem monumentalen Portrait verewigt werden, dessen Anspielung auf Dantes „Göttliche Komödie” durchaus gerechtfertigt ist. Nach Revolution, Napoleonischen Kriegen, befangen in restaurativen und modernistischen Tendenzen, befand sich Frankreich in einer Umbruchphase, deren politische Wechselstimmungen sich auch kultur- und wissenschaftsgeschichtlich niederschlugen: Wissenschaft sollte gesellschaftlich nutzbar gemacht werden und umgekehrt sollte Gesellschaft zum Gegenstand wissenschaftlicher Erkenntnis werden. Doch wo stand hier das fiktionale Erzählen? Wo lag die Bedeutung der Literatur?
Wir werden uns im Laufe des Seminars sowohl mit der Struktur des Romanzyklus, der wissenschaftsgeschichtlichen Relevanz eines gewaltigen Buch-Projekts und der Stellung der Literatur als soziologischem Analyseinstrument, wie auch mit den ästhetischen und literaturgeschichtlichen Filiationen und Wirkungen des Zyklus anhand zentraler Textstellen und Romane der „Comédie humaine” auseinandersetzen.
Georg Lukács: Balzac und der französische Realismus. Berlin: Aufbau-Verlag, 1952.
Dominique Vachey: Balzac, " la comedie humaine " : textes, commentaires et guides d'analyse. Paris: F. Nathan, 1984.
Uwe Dethloff: Französischer Realismus. Stuttgart: J.B. Metzler, 1997.
Voraussetzung für ein erfolgreiches Bestehen des Kurses sind aktive Mitarbeit im Seminar, das Vorbereiten eines Referats sowie das eigenständige Verfertigen eines Handouts.
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