PULS
Foto: Matthias Friel
Die Veranstaltung findet im Raum 1.02.2.01 statt.Die Bildungsreform im Gefolge der PISA-Studien der OECD (2000) und des Klieme-Gutachtens (2003) schlug die Einführung von Bildungsstandards in den schulischen Kernfächern vor. Die Bildungsstandards legen den Lern-Output in Form von „verbindlichen Anforderungen an das Lehren und Lernen“ fest (Klieme, 4). Anders als der traditionelle Lehrplan listen Bildungsstandards nicht Lehrinhalte auf, sondern Fähigkeiten und Fertigkeiten, sog. Kompetenzen, die Schüler/innen einer gegebenen Stufe vor- und nachweisen können sollen. Die Kirchen haben sich der Bildungsreform angeschlossen und Bildungsstandard für ihre Religionsunterrichte geschrieben, wie auch die Jüdische Religionsgemeinschaft. Der Seminarleiter hat diesen Reformprozess als Inhaber des Lehrstuhls für Jüdische Religionslehre, -pädagogik und -didaktik, Hochschule an Jüdischen Studien Heidelberg von 2003 bis 2018 in diversen Funktionen und Kommissionen begleitet und eine Reihe von Konzepten und Bildungsplänen vorgelegt, die im Seminar zur Sprache gebracht werden (s. Literatur). Die Grundidee dabei war, an den Formen Jüdischen Lernens anzuknüpfen, aus denen sämtliche religiöse Quellen des Judentums - Tora, Mischna, Talmud usw - fließen, und den Unterricht mit den beiden anderen Kanälen der jüdischen Traditionsvermittlung: Familie und Gemeinde durch ein kalenderorientiertes Spiralcurriculum zu verbinden. Bildungsstandards können zur Gattung der utopischen Literatur gerechnet werden. In ihnen schreibt die Religionsgemeinschaft ein Idealbild des jüdischen Absolventen fest, nach dem die nächsten Schüler/innengenerationen ausgebildet werden. Was sollen die jüdischen Schüler/innen nach zwölf bzw. dreizehn Jahren Jüdischem Religionsunterricht (JRU) können? Dabei darf das Wunschbild kein unerreichbares Traumbild sein, die Erwartungen dürfen nicht zu hochgesteckt, das Soll nicht zu weit vom Haben entfernt sein, Bildungsstandards sollen einen hohen Plausibilitäts- und Praktikabilitätsgrad aufweisen. Angesichts des niedrigen Niveaus und des hohen Niveaugefälles im JRU, das alle Umfragen auf diesem Gebiet bestätigen (s. Jessica Schmidt-Weil Umfrage der Kultuskommission des Zentralrates) hat man sich auf Mindeststandards geeinigt, um die bestehende Misere zu überwinden. Die Implementierung der Bildungsstandards ist leider nach wie vor ein Desiderat, ebenso wie die Bereitstellung von entsprechenden Lehrmitteln und Lehreraus- und -fortbildungen. Der Reformprozess ist im Gange und gestaltungsfähig, seine Möglichkeiten und Grenzen sollen im Seminar ausgelotet werden.
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