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Foto: Matthias Friel
Die Geschichte der Juden auf der Iberischen Halbinsel ist eine der blühendsten und zugleich tragischsten Geschichten jüdischen Lebens im vormodernen Europa. Einerseits steht sie für die sogenannte Convivencia, das für das europäische Mittelalter ungewöhnliche Zusammenleben von Juden, Christen und Muslimen, verbunden mit dem Erfolg einer großen Zahl herausragender jüdischer Gelehrter, Wissenschaftler, Ärzte und Berater sowohl an den muslimischen als auch an den christlichen Höfen ihrer Zeit. Andererseits wird das vermeintliche Miteinander regelmäßig von Pogrom- und Verfolgungswellen erschüttert, die immer wieder zu Zwangskonversionen und Flüchtlingsbewegungen von den muslimischen in die christlichen und von den christlichen in die muslimischen Herrschaftsgebiete führen. Als nach dem 13. Jahrhundert nur noch Granada von dem großen mittelalterlichen Al-Andalus übrig geblieben und die Reconquista kurz vor ihren Abschluss gekommen ist, nehmen die Verfolgungswellen in den christlichen Königreichen zu und gipfeln im 15. Jahrhundert in der Einführung der Inquisition, der "Blutreinheit", den ersten Ritualmordbeschuldigungen und schließlich zwischen 1492 und 1498 in der Vertreibung bzw. Zwangsbekehrung aller Juden aus Kastilien, Aragonien, Navarra und Portugal. Danach gibt es auf der Iberischen Halbinsel nur noch Juden, die ihr Judentum im Geheimen verfolgen und von der Inquisition bitter verfolgt werden. Erst im späten 19. Jahrhundert werden wieder offene jüdische Gemeinden auf der Iberischen Halbinsel geduldet.
In der Lehrveranstaltung soll Studierenden der Jüdischen Studien und der Romanistik ein Überblick über die Geschichte der Juden auf der Iberischen Halbinsel vermittelt werden, der ihnen hilft, eine wichtige Lücke in ihrem Verständnis des Judentums/der Iberischen Halbinsel zu schließen. Fragen aus der Politik- und Gesellschaftsgeschichte werden mit Fragen verbunden, die die Kulturgeschichte im weiteren Sinne betreffen. Am Ende geht es dabei nicht zuletzt darum, spanische Erinnerungspolitiken kritisch zu beleuchten und aktuelle Debatten, die über Ideal und Wirklichkeit der iberischen Convivencia geführt werden, in der Gruppe zu reflektieren und zu diskutieren.
Zur Einführung:
Bossong, Georg, Die Sepharden. Geschichte und Kultur der spanischen Juden, München 2008, 14-69.
Menocal, María Rosa, Die Palme im Westen. Muslime, Juden und Christen im alten Andalusien, Berlin 2003 [2002].
Rother, Bernd, Die Iberische Halbinsel. Früheste Zeugnisse jüdischen Lebens auf der Iberischen Halbinsel, in: Handbuch zur Geschichte der Juden in Europa, hg. von Elke-Vera Kotowski, Julius H. Schoeps, Hiltrud Wallenborn, Darmstadt 2001, Bd. 1, 325-349
Weitere Literatur wird in der Veranstaltung bekannt gegeben.
Bereitschaft zur regelmäßigen vorbereitenden Lektüre und Diskussion der Texte in den Veranstaltungen. Passive Englischkenntnisse. Spanischkenntnisse sind willkommen, aber nicht zwangsläufig nötig.
Impulsreferate für unbenotete Leistungen; Impulsreferate und Verschriftlichungen für benotete Leistungen (je nach Prüfungsordnung).
Studierende der Jüdischen Studien und der Romanistik.
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