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Foto: Matthias Friel

Deutsche Feldpostbriefe aus der Ukraine 1941-44. Zur Geschichte des Feldpostbriefs seit der Frühen Neuzeit - Einzelansicht

Veranstaltungsart Oberseminar Veranstaltungsnummer
SWS 2 Semester SoSe 2024
Einrichtung Historisches Institut   Sprache deutsch
Belegungsfrist 02.04.2024 - 10.05.2024    aktuell
Gruppe 1:
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    Tag Zeit Rhythmus Dauer Raum Lehrperson Ausfall-/Ausweichtermine Max. Teilnehmer/-innen
Einzeltermine anzeigen
Oberseminar Mo 18:00 bis 20:30 14-täglich 08.04.2024 bis 15.07.2024  1.11.2.03 Dr. phil. Charlier  
Kommentar

Bei der Lektüre von Feldpostbriefen aus dem Zeitalter der Weltkriege erweist sich das Gebiet der heutigen Ukraine als Schlüssel-Region für das Verständnis der Geschichte Europas. So umfasste die Kiever Rus im Jahr 988 ein Reich, das die aus Nordeuropa eingewanderten Wikinger mit den Slawen und weiteren Ethnien unter einer Herrschaft mit dem orthodoxen Christentum verband. Dieser größte Flächenstaat seiner Zeit manifestierte eine Vorform von Europa − mit Kiev als Hauptstadt, dem »Byzanz des Nordens« (Serhii Plokhy). Wiederholt spiegelt sich diese frühe europäische Kultursynthese, die über die Jahrhunderte auch ein reiches jüdisches Leben bewahrte, in den Feldpostbriefen deutscher Soldaten, die nach dem 22. Juni 1941 in die Ukraine einfielen. So berichtet etwa ein Wehrmachtsoffizier (im zivilen Beruf Volksschullehrer), dass er sich in einer Gefechtspause auf einen »Wikingerspaziergang« begebe, um die ukrainische Landschaft zu erkunden. Ein deutscher Truppenarzt schreibt während der blutigen Belagerung Sewastopols von der Krim als einer Landschaft, die ihn an Italien erinnere oder Hölderlins Griechenland (vgl. 2c). Ein junger Wehrmachtsleutnant schwärmt von der »schwarzen« so fruchtbaren ukrainischen Erde: »Die Ukraine ist doch ein reiches Land!« (vgl. 2b; 19.1.1944) Weder menschenverachtende NS-Ideologie noch Militärzensur konnten die Soldaten davon abhalten, in ihren Feldpostbriefen an die Angehörigen im seltenen Einzelfall auch Positives über das Volk und die Kultur zu berichten, die ihrem Vernichtungskrieg rücksichtslos zum Opfer fielen. So urteilt besagter Truppenarzt über die sowjetische Militärmedizin mit größter Wertschätzung (vgl. 2c). Natürlich gibt es in den (allein auf deutscher Seite für den Zeitraum von 1937 bis 1945) auf mehrere Milliarden geschätzten Feldpostsendungen auch Hinweise auf die Verbrechen der Angreifer und den Völkermord an den Juden. Dies allerdings nur äußerst selten und höchstens zwischen den Zeilen. Was im Übrigen auch für die Schilderung des konkreten Kampfgeschehens gilt, das unterrepräsentiert bleibt. In der überwiegenden Masse wollten die Soldaten ihre Angehörigen schonen. So schreiben sie über Alltäglichkeiten (wie Essen, Verpflegung, Wetter) oder möchten aus der Ferne mitbestimmen (Finanzen, Kinder, Garten). Der Löwenanteil von Feldpost wurde dabei sicher von Frauen verfasst (als Mütter, Schwestern, Verlobte, Ehepartner), speziell auf dem Postweg von der ›Heimat‹ an die ›Front‹. Beispielhaft stellt das Seminar deshalb Feldpostbriefe einer Soldatenheimschwester (2a) sowie eines jungen Infanterie-Leutnants (vgl. 2b) an den Anfang, u. a. verfasst in Orten wie Lemberg (Lviv/Lwów), Winnyzja oder Zwiahel (Nowohrad-Wolynskyj) als Stationen der sog. ›Ostfront‹. Anhand historischer Briefbeispiele führt die Lehrveranstaltung zudem ein in die Geschichte der Feldpost seit der frühen Neuzeit (vgl. 1). − Die Veranstaltung findet 14–täglich statt! Um Voranmeldung wird gebeten unter charlier@uni-potsdam.de.

Literatur

Literatur: (1a) Hellmuth KARASEK et al. (Hrsg.): Briefe bewegen die Welt. Bd. 6: Feldpost. Vom Dreißigjährigen Krieg bis heute [etc.]. Kempen 2013 − (2a) Julia PAULUS; Marion RÖWEKAMP (Hrsg.): Eine Soldatenheimschwester an der Ostfront. Briefwechsel von Annette Schücking mit ihrer Familie (1941-1943). Paderborn u. a. 2015 – (2b) Feldpostbriefe und -karten von Karl Kollmann jun. (Jahrgang 1924) an die Eltern und Geschwister (Januar 1944 − Februar 1945); maschinenschriftl. Typoskript, teilediert und kommentiert von †Hans-Georg KOLLMANN. Recklinghausen 2002. – (2c) Otmar JUNG: Als Truppenarzt an der Ostfront. Feldpostbriefe von Dr. Walther Jung an seinen älteren Schwager Josef Reichardt 1941-1944. Würzburg 2017 − (3a) Andreas KAPPELER: Kleine Geschichte der Ukraine. München 2019 [ggfs. div. Neuaufl.] – (3b) Timothy SNYDER: Bloodlands. Europa zwischen Hitler und Stalin. München, 6., erweiterte Aufl., 2022 [engl. Originalausg. zuerst 2010]

KARL KOLLMANN (1925-1945): Feldpostbriefe aus der Ukraine (Januar/Februar 1944)

Kurs auf Open.UP: https://openup.uni-potsdam.de/course/view.php?id=450

Semesterapparat: https://web.ub.uni-potsdam.de/php/dat/*8478FC34167C288EC84EF77F2934D99731346698.php

Leistungsnachweis

Angabe der zu erwerbenden Leistungspunkte (LP) im Folgenden nicht kumulativ:

- regelmäßige Teilnahme samt Abfassung eines (ggfs. kollaborativen) Protokolls: 1 LP sowie
- (zuzüglich) Präsentation/Vortrag mit Handout: (insgesamt) 2 LP sowie
- (zuzüglich) schriftl. Ausarbeitung oder Seminararbeit: (insgesamt jeweils) 3-6 LP (je nach Anspruch, Thema, Umfang u. a.)


Strukturbaum
Die Veranstaltung wurde 4 mal im Vorlesungsverzeichnis SoSe 2024 gefunden:
Vorlesungsverzeichnis
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