PULS
Foto: Matthias Friel
Die erste Sitzung in dieser Lehrveranstaltung findet am 17.04.2024 statt.
Verführung ist fast immer mit der Übertretung eines Verbotes konnotiert. Verführung steht in den ostslavischen Literaturen in einer spezifisch nicht-westlichen Tradition der poslost‘. Der Dämon bei Michail Lermontov und später Michail Vrubel‘ ist ein passiver Außenseiter, der nicht wie Mephisto aktiv verführt. Verführung wird dazu bereits von Gogol‘ in „Vyj” (1835) über die Gothic Novel mit gefährlicher weiblicher Sexualität in Bezug gesetzt. Westliche und östliche Kulturmodelle vermischen sich nicht nur in Texten, sondern auch in der Mode. Abgeleitet von Vladimir Nabokovs Roman „Lolita” von 1955 mit seiner vorpubertären Heldin, die von dem älteren männlichen Erzähler als Nymphomanin angesehen wird, ist in einer Mischung aus Verführung und Tabu in der westlichen Mode der "Lolita"-Look als Ausgangspunkt für die britischen Teds, die japanischen Taiyozoku und die australischen Bodgies entstanden. Auch die sowjetische Stilyaga-Mode protestiert bewusst gegen traditionelle sowjetische Kleiderordnung und Moral. Gerade die weiblichen Stilyagi entwickeln eigenständige verführerische Mode, Musikgeschmack, einzigartigen Slang, Körpersprache und Lebensgewohnheiten. Wir untersuchen die Stilyaga-Tradition in ihrer historischen Entwicklung von den Begründern der Bewegung in den späten 1940er Jahren bis zu den „Shtatniki” (US-Niks) der 1960er Jahre als Vorläufer der zeitgenössischen Streetstyle-Mode. Was Vladimir Mulyavin mit der belarusischen Folk-Rockband „Pesniary” gelang, begründete Volodymyr Ivasyuk mit "Chervona Ruta" in der Ukraine. Für Coco Chanel ist Mode nichts, was nur in Kleidung existiere. Mode sei in der Luft, auf der Straße. Mode habe etwas mit Ideen zu tun, mit der Art wie wir leben, mit dem, was passiert. Wir fragen danach, wie Verführung und Tabubruch in der sowjetischen Kultur der Dissidenz funktioniert hat und sich das Phänomen heute in der Ukraine, in Belarus und Russland kulturell verändert.
Literatur Aage A.Hansen-Löve: Schwangere Musen – Rebellische Helden. Antigenerisches Schreiben – Von Sterne zu Dostoevskij, von Flaubert zu Nabokov. München: Wilhelm Fink, 2019.
Genia Berg: Freedom and Desire. From Mute to #MeToo. An Aftermath of Nabokov’s Lolita in the 21st Century. Göttingen 2023.
Olga Vainshtein: Orange Jackets and Pea Green Pants. The Fashion of Stilyagi in Soviet Postwar Culture. In: Russian Fashion Theory, Volume 22, 2018, Issue 2, 167-185.
Nathalia Saliba Dias: Queering Nabokov: Postmodernist Temporalities and Eroticism in Ada, or Ardor. Berlin 2019.
3 LPReferat: 15 MinutenStudiumPlus (Modul Ba-SK-P-1)Variante I: 3 LP 15-minütiges ReferatVariante II: 6 LP Hausarbeit im Umfang von 15 Seiten
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