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Foto: Matthias Friel
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Während vor einigen Jahren noch Film und Fernsehen das Bild von Krieg und Gewalt von Jugendlichen und jungen Erwachsenen entscheidend prägten, sind heute Computerspiele von maßgeblicher Bedeutung. In der Übung werden unterschiedliche Brett-, Rollen- und Computerspiele mit konkreten militärischen Inhalten – die Auswahl erfolgt den Interessen der Teilnehmer entsprechend – in ihrem jeweiligen Kontext analysiert. Dabei findet eine Betrachtung dieser Spiele aus geschichts- sowie sozialwissenschaftlicher Perspektive statt, auch Methoden der Game Studies werden berücksichtigt. Der Fokus liegt dabei einerseits auf der Kriegs- und Gewaltdarstellung, andererseits auf der Funktion von Kontingenz, Zufall und Kontrafaktizität in den untersuchten Spielen. Vornehmlich bei 4X-Spielen soll zudem das Staats- und Gesellschaftsbild betrachtet werden, das den Spieleengines zugrund liegt.
Krieg und Spiel sind seit Jahrtausenden auf das Engste miteinander verknüpft, viele Spieleklassiker wie Go und Schach stellen Abstraktionen von Kriegshandlungen dar. Das zur Offiziersausbildung verwendete preußische »Kriegsspiel« des frühen 19. Jahrhunderts – eher eine Simulation als ein Spiel im engeren Sinne – ist in gewisser Weise der Urahn der zahllosen modernen Brett- und Computerspiele mit militärischen Inhalten, die in dieser Lehrveranstaltung im Mittelpunkt stehen.
Das moderne Kriegsspielgenre wurde in den 1950er Jahren durch die Brettspiele der US-amerikanischen Firma Avalon Hill begründet: 1954 erschien »Tactics«, 1961 führte »Gettysburg« das Hexfeld ins Kriegsspiel ein. Zur selben Zeit erschien das nicht minder bahnbrechende Strategiespiele »Diplomacy«. Es folgten zahlreiche Ableger unterschiedlichster Themen und Komplexität. Im Mainstream kamen Kriegsspiele 1984 mit der »Axis & Allies«-Reihe an, die den Zweiten Weltkrieg zum Gegenstand hat.
Gleichzeitig wurden Computerspiele mit militärischen Inhalten populär. Es differenzierten sich bald unterschiedlichste Subgenres heraus, unter anderem mehr oder weniger komplexe Strategiespiele, aber auch taktische Kampfflugzeug- und U-Boot sowie Panzersimulationen. In Deutschland war »Historyline: 1914–1918«, ein rundenbasiertes Strategiespiel, sehr populär. Im gleichen Jahr erschien »Wolfenstein 3D«, ein früher Ego-Shooter vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs. Auch in der »Battleground«-Reihe (seit 1995), der »Age of Empires«-Reihe (seit 1997) und der »Total War«-Reihe (seit 2000) standen Krieg und militärische Gewalt im Mittelpunkt des Spielerlebnisses. Auch in der »Civilization«-Reihe (seit 1991) spielt Krieg eine entscheidende Rolle. Die »Europa Universalis«-Reihe (seit 2000) mit ihrem Ableger »Hearts of Iron« läutete eine neue Stufe der Komplexität bei 4X-Strategiespielen ein. Parallel dazu entstanden ab Mitte der 1990er-Jahre immer realistischer anmutende taktische Simulation und Shooter, etwa die »Battlefield«-Reihe (seit 2002). Der taktische Panzerschlachtsimulator »World of Tanks« wurde 2014 von mehr als 1,1 Millionen Spielern gleichzeitig online gespielt – Kriegspiele sind keine Randerscheinung mehr, sondern ein globales Massenphänomen. Eine interessante Entwicklung, die an das frühe preußische »Kriegsspiel« erinnert, ist die zunehmende Verwendung von computerspielartigen Simulationen in der militärischen Ausbildung. Heutzutage passen Streitkräfte kommerzielle Computerspiele für ihre Zwecke an, andererseits verwenden Computerspielefirmen vom Militär entwickelte Spieleengines – Kriegsspiel und Krieg verschmelzen.
Im Rahmen der Übung wird ein Referat zu einem oder mehreren einschlägigen Brett-, Rollen- und Computerspielen gefordert. Voraussetzungen für die Teilnahme an der Übung sind ein grundsätzliches Interesse an Spielen mit militärischen Inhalten und entsprechende grundlegende Vorkenntnisse.
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