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Foto: Matthias Friel
Der Typus Chassid tritt unter verschiedenen Bezeichnungen seit biblischen Zeiten in Erscheinung: die Ἀσιδαῖοι der Makkabäer-Bücher, die Chassidim HaRischonim der rabbinischen Literatur, die asketischen Chasside Aschkenas im mittelalterlichen Deutschland und die dem Sufismus nahestehenden Chassidim Ägyptens der aetas maimonidiana. Der Chassidismus, der in der Mitte des 18. Jh. in Galizien entstand und dessen „Höfe” heute die vestignomisch sichtbarsten und demographisch dynamischsten religiöse Gruppen des Judentums sind, unterschied sich ursprünglich von den älteren elitären asketischen Chassiden durch seinen ausgesprochen populären Charakter. War bisher die Einstellung der Chassiden zur Gesellschaft durch Rückzug (Hitbodedut) und Indifferenz (Haschwa‘ah) geprägt, so predigte der Chassidismus neuerer Prägung soziale Verantwortung, war die Stimmungsdominante bisher bedrückte Selbstanklage, so war der neue chassidische Weg (Derech HaChessed) ein Weg der Freude und ekstatischer Begeisterung (Hitlahawut). Wenn auch Martin Bubers neochassidische Darstellung einer weltbejahenden Religiosität eine moderne Retrojektion ist. Schließlich war die mystische Grundlage des Chassidismus die lurianische Gnosis, der es um die Befreiung und Erlösung der göttlichen Funken aus dem Gefängnis dieser Welt ging. Aber auch daraus ergibt sich die Konsequenz, dass Gott in allen Dingen – auch im Bösen – harrt. Erlösungswerke (Jichudim, Tikkunim) können überall und jederzeit, auch in den alltäglichsten Verrichtungen, wie z. B. beim Essen, vollbracht werden. Dazu sind allerdings keine komplizierten lurianischen Meditationstechniken (Kawwanot) nötig, der Chassidismus empfahl bloß eine immerwährende Ausrichtung (Kawwana) auf und Verbindung (Dwekut) mit Gott.
Wir wollen die Wesenszüge der chassidischen Frömmigkeit herausarbeiten. Dabei beziehen wir uns nicht auf den Stifter, Israel Ba’al Schem Tow (c. 1700 -1760), sondern überwiegend auf dessen „Paulus”, den Großen Maggid Dow Bär von Meseritsch und dessen Werk.
Wegen der jüdischen Feiertage findet die erste Seminarsitzung erst am 27.10.2022 statt. Die Veranstaltung wird online durchgeführt.
Zugangsdaten:
https://uni-potsdam.zoom.us/j/66868539982
Meeting-ID: 668 6853 9982Kenncode: 57439683
PrimärliteraturDov Ber von Meseritz: Sefer Maggid Dewaraw LeJaaqow. Likute Amarim und Or Tora (Koretz 1784), Ozar HaChassidim (Hg.), Brooklyn 1986, 4. Aufl. (Kritische Ausgabe: Riwka Schatz Uffenheimer, Jerusalem [1976], 1990, 2. Aufl.).Chalier, Catherine: Au sources du hassidism. Le Maggid de Meseritsch. Presentation et traduction de l’Hebreu d’un choix de textes inédit, Paris-Orbey 2014. Schivche ha-Bescht. Die Geschichten vom Ba`al Schem Tov, Karl E. Grözinger (Hg.), Teil I. Hebräisch mit deutscher Übersetzung, Wiesbaden 1997.Schneor Salman von Ljadi: Likkutej Amarim. Tanja, dt. v. Levi Sternglanz, Brooklyn 2008, 6. Aufl.
Sekundärliteratur
Baumgarten, Jean: Le Baal Shem Tov. Mystique, magicien et guérsseur, Paris 2020 (auf dem letzten Stand der Forschung). Buber, Martin: Chassidismus II – Theoretische Schriften, Martin Buber-Werkausgabe (MBW), Bd. 17, Susanne Talabardon (Hg.), Gütersloh 2016. Buber, Martin: Chassidismus III – Die Erzählungen der Chassidim, Text und Kommentar, Martin Buber-Werkausgabe (MBW), Bde. 18,1-2, Ran HaCohen (Hg.), Gütersloh 2015.Dresner, Samuel H.: The Zaddik, New York 1960.Dubnow, Simon: Geschichte des Chassidismus. In zwei Bänden, Aus dem Hebräischen von A. Steinberg, Berlin 1931, Nachdruck: Königstein/Ts. 1984 (z. T. überholt, aber immer noch nützlich). Grözinger, Karl Erich: Jüdisches Denken. Theologie, Philosophie, Mystik, Bd. 2. Von der mittelalterlichen Kabbala zum Hasidismus, Frankfurt, New York 2005. Gutwirth, Jacques: La Renaissance du Hassidisme. De 1945 à nos jours, Paris 2004.Hundert, Gershon David (Hg.): Essential Papers on Hasidism. Origins to Present, New York, London 1991.Idel, Moshe: Hasidism: Between Ecstasy and Magic, New York 1995.Lederberg, Netanel: HaScha’ar LeEjn, Rabbi Dov Ber Maggid MiMesritsch, Jerusalem 2011. Schochet, Jacob Immanuel: The Great Maggid. The Life and Teachings of Rabbi Dov Ber of Mezhirech, Brooklyn (1974) 1990, 3. Aufl.Talabardon, Susanne: Chassidismus, Tübingen 2016 (hervorragende Einführung).Wiesel, Elie: Célébration hassidique. Portraits et legends, Paris 1972.Wodzinski, Marcin und Spallek, Waldemar: Historical Atlas of Hasidism, Princeton, Oxford 2018.
Vor- und Nachbereitung der Veranstaltung und Abfassung einer Seminararbeit zu einem Thema der Lehrveranstaltung
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