PULS
Foto: Matthias Friel
Die symbolische Doomsday Clock, mit der die Zeitschrift „Bulletin oft the Atomic Scientists” die globale Öffentlichkeit darüber informiert, wie groß das aktuelle Risiko einer globalen Atom- oder Klimakatastrophe ist, wurde am 24. Januar 2023 auf 90 Sekunden vor Mitternacht umgestellt. Mit diesem Statement bestätigt das bedeutendste Gremium der Nuklearforschung die eindringliche Warnung der Letzten Generation: Das „Zeitfenster”, um den drohenden Zivilisationskollaps abzuwenden, „[schließe] sich rasant”. Auch im aktuellen politischen und medialen Diskurs entfalten die zwischen Abschreckung und Overkill oszillierenden Inferno-Szenarien ihre Potentiale. Die als Existenzfrage begriffenen Krisen, bei denen es um Leben oder Tod, Stabilität oder Kollaps geht, polarisieren die Gesellschaft und fordern die Demokratie heraus. Im politischen Machtspiel bietet die zunehmende Verunsicherung eine Steilvorlage für populistische Argumentation und steigert laut Arno Gruen „das Bedürfnis nach einem Feind”.
Die Ringvorlesung geht der These nach, dass die in vermeintlichen kulturellen Differenzen wurzelnden Konfrontationen nicht als Begleiterscheinungen von Krisen und Katastrophen auftreten, sondern sie werden erst von gewaltsamen Konfliktentwicklungen in einem sozialen System insbesondere dann ausgelöst, wenn das Vertrauen in Steuerungsmöglichkeiten des politischen Krisenmanagements schwindet. Mittels der simplen Abgrenzungsrhetorik, der eine verfälschte Kausalverbindung zwischen den Ursachen und Folgen einer Bedrohung inhärent ist, werden die als unüberwindbar scheinenden kulturellen Differenzen für die Zuschreibungen der Inferiorität symbolisch und diskursiv begründet, um massive systemische Funktionsstörungen und wahre Ursachen von Krisen zu verklären sowie den negativ attributierten Anderen für eine destabilisierte Lage zu beschuldigen. Wenn Schlagzeilen unisono die Klima- oder Nuklearkatastrophen an die Wand malen und die Schuld für Krisen veräußern, tritt die Sorge um die eigentliche Problemlösung, aber auch um Gemeinwohl in Hintergrund. Den Verkrampfungen der Krisen-Debatten entwachsen dabei immer neue Feindbilder, nicht gelöste innere Spannungen werden in äußeren Ersatzkonflikten an imaginierten kulturellen Konfliktlinien ausgefochten und die Popularität des exklusiven völkischen „Wir” steigt.
Als Lehrende treten in der Vorlesungsreihe die Studierenden von verschiedenen Fachrichtungen auf. Unter der Berücksichtigung ihrer Fachperspektiven gehen sie der Frage nach, welche wissenschaftlich fundierten Handlungsansätzen zur Überwindung von Krisen bereits vorliegen und welche konstruktiven Zukunftsentwürfe die aktuelle Forschung bereitstellt. Ausgehend von vorhandenen Forschungsergebnissen, werden in einzelnen Vorlesungen Erwartungshorizonte gezeichnet und kulturelle Orientierungsräume untersucht, die es ermöglichen, die Krisensituation in eine Umbruchsituation von der polarisierten zur inklusiven Welt zu verwandeln. Letztlich geht es insbesondere in Krisenzeiten um die ernstzunehmende Frage, in welcher Welt die Generation der heutigen Studierenden leben will.
eine regelmäßige und aktive Teilnahme, Lernportfolion
Zahl der LPs: 3 benotet und unbenotet
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