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Foto: Matthias Friel
Texte in Dialogform existieren innerhalb des europäischen Schrifttums seit der Antike und sie treten in einer Vielzahl an funktionalen Zusammenhängen auf. Sie können Grundlage theatraler Inszenierungen sein, sie können dialektische Wahrheitsfindung repräsentieren oder als didaktisches Hilfsmittel dienen. Mittelalter, Renaissance und Aufklärung finden jeweils spezifische Formen an die bestehenden Traditionen anzuknüpfen.
Im Kontext der Moderne (verstanden als die Zeit vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zur Gegenwart) wird literarische Dialogizität als eine Möglichkeit diskutiert, den Wegfall des archimedischen Punktes zu bearbeiten. Eine Gesellschaft, die keine verbindliche (z. B. göttliche) Außenperspektive mehr hat, muss sich grundsätzlich mit dem Plural möglicher Positionen auseinandersetzen, was zur Inszenierung von Mehrstimmigkeit in fiktionalen Prosatexten führen kann. Somit wird der Dialog auch zu einer epistemologisch relevanten Größe.
Das Seminar wird einzelne Stationen dialogischer Textproduktion von Platon bis zur Gegenwart nachvollziehen und dabei sowohl der Form selbst als auch ihrer Reflexion in der Forschung Raum geben. Vorbereitend sollte Platons Gastmahl (Symposion) gelesen werden.
Auswahl
Bakhtin, Mikhail (1981): The Dialogic Imagination: Four Essays. Austin: University of Texas Press.
Föllinger, Sabine und Gernot Michael Müller (Hg.) (2013): Der Dialog in der Antike: Formen und Funktionen einer literarischen Gattung zwischen Philosophie, Wissensvermittlung und dramatischer Inszenierung. Berlin/ Boston: de Gruyter.
Galle, Roland (1980): „Diderot – oder die Dialogisierung der Aufklärung,“ in Jürgen v. Stackelberg et. al. (edd.): Neues Handbuch der Literaturwissenschaft. Europäische Aufklärung III, Wiesbaden: Akademische Verlagsgesellschaft Athenaion, 209-247.
Hausmann, Matthias und Marita Liebermann (Hg.) (2014): Inszenierte Gespräche: zum Dialog als Gattung und Argumentationsmodus in der Romania vom Mittelalter bis zur Aufklärung. Berlin: Weidler.
Hempfer, Klaus W. (2004): Poetik des Dialogs: aktuelle Theorie und rinascimentales Selbstverständnis. Stuttgart: Franz Steiner Verlag.
Hempfer, Klaus W. und Anita Traninger (Hg.) (2010): Der Dialog im Diskursfeld seiner Zeit: von der Antike bis zur Aufklärung. Stuttgart: Franz Steiner Verlag.
Honnacker, Hans (2002): Der literarische Dialog des primo Cinquecento: Inszenierungsstrategien und Spielraum. Baden-Baden: Koerner.
Kristeva, Julia (1972): „Bachtin, das Wort, der Dialog und der Roman“ [1967]. In: Literaturwissenschaft und Linguistik. Ergebnisse und Perspektiven, Bd. 3: Zur linguistischen Basis der Literaturwissenschaft. Frankfurt/Main, S. 345–375.
Weise, Marten (2024): Dialog als Denkfigur. Bielefeld: trancript Verlag.
Bzgl. des Erwerbs von Leistungspunkten konsultieren Sie bitte die Ordnung ihres Studiengangs.
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