PULS
Foto: Matthias Friel
In der geistlichen Literatur des frühen Mittelalters tritt modernen LeserInnen die Fremdheit der Denkformen und Ordnungsmuster mit größter Deutlichkeit entgegen: Zeit und Geschichte, Raum und Kosmos werden strukturiert durch die Gewissheit einer sinnhaften Schöpfungsordnung, die sich in typologischen und allegorischen Figuren in die Texte einschreibt. Den Kontext bildet die Entwicklung der mittelalterlichen Kirche und ihrer Wissensordnungen, die sich in Auseinandersetzung und Konkurrenz mit adligen Herrschaftsvorstellungen formieren. Im Seminar sollen Konzeptionen von Heilsgeschichte und Zeitenwende (Annolied, Kaiserchronik), Vergänglichkeit und Tod (Memento Mori), Jungfräulichkeit und Heiligkeit (Marienlieder, frühe Legenden) sowie die Visionen von Weltende und jenseitiger Welt (Muspilli, Das himmlische Jerusalem) auch anhand bildlicher Darstellungen erarbeitet werden. Allerdings sind die Themen und Fragestellungen, die diese Texte behandeln, nicht auf klerikales Expertenwissen beschränkt, daher wird ein zweiter Schwerpunkt auf der Heterogenität des Materials liegen, das antike und außerchristliche Traditionen in seine Sinnstiftungsstrategien einzubeziehen sucht.
Textgrundlage: Ein Reader mit ausgewählten Texten wird zu Beginn des Semesters zur Verfügung gestellt.
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