PULS
Foto: Matthias Friel
Mal wird er mit James Joyce und Franz Kafka verglichen, mal als „russischer George Orwell“ bezeichnet, immer aber als genialer Außenseiter und Avantgardist „zwischen allen Stühlen“ rezipiert. Wie kaum ein anderer Prosaautor der ersten Jahrzehnte nach der Oktoberrevolution verarbeitete Andrej Platonov (1899-1951) in seinen Prosatexten das fundamentale Scheitern der politisch-revolutionären Utopien, wissenschaftlich-technischen Visionen und philosophisch-apokalyptischen Fantasien seiner Zeit. In tragisch-grotesken Epochenbildern beschreibt er sowohl die kollektiven „Katastrophen“ ingenieurstechnischer Großprojekte und kommunistischer Aufbauversuche als auch die individuellen „Deformationen“ des Bewusstseins analphabetischer Eisenbahner oder parteipolitisch engagierter Provinzler. Die enttäuschten Träume eines besseren Lebens und der reale Terror des sowjetischen Alltags prägen seine „negative Poetik“. Im Seminar sollen ausgewählte Prosatexte Platonovs im Kontext der künstlerischen Programmatiken und politischen Diskurse der Epoche analysiert werden.
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