PULS
Foto: Matthias Friel
Die Vorstellung von einer Abfolge spezifisch abgegrenzter Weltzeitalter ist bereits aus der mittelalterlichen Geschichtsschreibung bekannt. Seit dem Humanismus kennen wir die bis heute gängige Unterscheidung der Universalgeschichte in die Trias Altertum – Mittelalter – Neuzeit. Alle Versuche, das Mittelalter von der Neuzeit durch historische Zäsurereignisse oder spezifische Prozesse allgemeinverbindlich abzugrenzen, wurden zu keiner Zeit ausschließlich und kritiklos angenommen. Jedes Einzelereignis führt uns ständig neu die Frage nach Kontinuität und Diskontinuität in der Geschichte vor Augen, weshalb immer deutlicher wird, daß in den verschiedenen historischen Teildisziplinen gravierende geschichtliche Umbrüche keineswegs immer zeitlich zusammenfallen müssen. Die moderne Geschichtswissenschaft arbeitet nicht mehr mit dem Instrumentarium schulbuchmäßiger, punktueller Epochenabgrenzungen, sondern interpretiert die Wende vom Mittelalter zur Neuzeit als eine Zone des Überganges, die einerseits die verschiedenen Aspekte historischen Geschehens in Politik, Gesellschaft, Kultur, Wirtschaft und Religion ausreichend integriert, andererseits ebendiese Aspekte hinreichend an ihre jeweilige räumlich-geographische Relevanz rückbindet. Jedenfalls verdichteten und beschleunigten sich in den Jahrzehnten um 1500 eine Reihe von Prozessen, welche auf verschiedenen Ebenen den Beginn einer neuen Epoche in der Europäischen Geschichte markierten – die Folgen der Eroberung von Konstantinopel durch die Osmanen und der Entdeckung Amerikas, die Ausbildung eines mehrpoligen europäischen Mächtesystems und des frühmodernen (National-)Staates, das frühkapitalistische, zunehmend globalisierte Wirtschaftssystem, Humanismus und Renaissance, die Erfindung des Buchdruckes mit beweglichen Lettern und die „Kopernikanische Wende“ sowie schließlich auch die Reformation als Beginn der dauerhaften Spaltung der abendländischen Kirche. In der Vorlesung soll versucht werden, die durch diese und andere Zäsurereignisse und Prozesse in Gang gesetzten, für die Geschichte der Frühen Neuzeit so prägenden, langfristig wirksamen Prozesse aufzuzeigen.Bei der Vorlesung handelt es sich um den ersten Teil eines mehrsemestrigen Zyklus zur europäischen Geschichte der Frühen Neuzeit. Der Besuch der Vorlesungen in den kommenden Semestern ist somit nicht notwendig, da alle Vorlesungen inhaltlich in sich geschlossen konzipiert sind.
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