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Foto: Matthias Friel

Was ist ein Mythos? Annäherungen aus der Philosophie der Religion, der Kultur und der Politik - Einzelansicht

Veranstaltungsart Seminar Veranstaltungsnummer
SWS 2 Semester SoSe 2018
Einrichtung Institut für Philosophie   Sprache deutsch
Weitere Links Kommentar
Belegungsfrist 03.04.2018 - 10.05.2018

Belegung über PULS
Gruppe 1:
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    Tag Zeit Rhythmus Dauer Raum Lehrperson Ausfall-/Ausweichtermine Max. Teilnehmer/-innen
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Seminar Do 12:00 bis 14:00 wöchentlich 12.04.2018 bis 19.07.2018  1.11.0.09    
Kommentar Für weitere Informationen zum Kommentar, zur Literatur und zum Leistungsnachweis klicken Sie bitte oben auf den Link "Kommentar".

Der Begriff des Mythos begegnet uns in unserem Alltag und auch in unserer Alltagssprache auf den verschiedensten Gebieten: In der Politik in Form von „Nationalmythen“ bzw. „Gründungsmythen“ (man denke, bezogen auf Deutschland, an „Luther“ und „Faust“, aber auch an die „Trümmerfrauen“, das „Wirtschaftswunder“ usw.), im Zusammenhang mit der Geschichte (z.B. der Untergang der „Titanic“), im Sport („Mythos vom Schalker Markt“, „Wunder von Bern“, Boris Becker in Wimbledon usw.) oder in der Kultur (Marilyn Monroe, The Beatles, Andy Warhol usw.). Dabei unterscheiden wir den Begriff des „Mythischen“ in seinem inflationären Gebrauch oft gar nicht hinreichend scharf, etwa in Abgrenzung vom „Mystischen“.

Dieses Seminar nimmt sich daher eine umfassende begriffliche Klärung des Begriffs des „Mythos“ vor. Blickt man etwa auf die sogenannte „antike Mythologie“ zurück, werden rasch wenigstens vier Grundbestimmungen dessen, was in diesem Zusammenhang als „Mythos“ firmiert, ersichtlich. Ein Mythos hätten dann die Funktion 1.) der kulturellen und religiösen Vermittlung heiliger Wahrheiten, 2.) der historischen Legitimation einer politischen Ordnung oder gesellschaftlichen Entwicklung, 3.) der „Selbstdarstellung“ von geschichtlichen Kollektiven (Nationen, „Völker“ usw.), sowie 4.) der Tradierung einer quasi-moralischen „Lehre“. Eine auch gesellschaftsdiagnostisch wichtige Frage, die wir im Seminar stellen möchten, lautet, ob und inwiefern sich in unseren heutigen Gesellschaften und Kulturen noch „Reste“ dieser ursprünglichen Funktionen des Mythischen erhalten haben.

Von besonderem Interesse für das Seminar ist das Problem der systematischen Einschätzung des Mythischen/von Mythen aus der Sicht der Philosophie. Platon bestand darauf, Homers mythische Darstellung der Götter, die menschliche Züge tragen und menschlichr Schwächen aufweisen, durch eine vernunftorientierte Rede über das Göttliche (theo-logia) zu ersetzen. Und in seinem Dialog „Politeia“ beispielsweise lässt Platon Sokrates feststellen, dass man den Kindern zuerst „Mythen“ erzähle – nämlich Unwahrheiten, die dann erst durch den reifen Vernunftgebrauch der Unwahrheit überführt und durch die Suche nach „dem Wahren“ überwunden würden. Erst im achtzehnten Jahrhundert, im Denken von Giambattista Vico (1668-1744) gerät diese klassische Abwertung des Mythos durch die Idealisierung der Vernunft an eine Grenze: Vico sah in den Mythen eigenständige und in ihrer Art legitime Verfahren der Interpretation von Wirklichkeit, die, so verstanden, dem Vernunftdenken gar nicht entgegengesetzt, sondern, im Gegenteil, funktional vergleichbar sind. Über die „Zwischenstation“ Johann Gottfried Herder (1744-1803) blüht diese produktive Verständnisweise von Mythen vor allem in der (deutschen und englischen) Romantik auf. Bei F.W.J. Schelling (1775-1854) ist nicht im Frühwerk nur vom Programm einer „neuen Mythologie“ die Rede vielmehr weist Schellings späte Schrift „Philosophie der Mythologie“ alle Versuche einer rationalen „Aufklärung“ des Mythischen in die Schranken zu weisen.

Die Philosophie des zwanzigsten Jahrhunderts hingegen erlebt nicht nur, sondern sie reflektiert zugleich das Problem einer „Renaissance“ der Mythen. Es war Ernst Cassirer, der in seinem letzten Werk „Der Mythus des Staates“ (1946) die Genese des nationalsozialistischen Stattes zu begreifen versuchte etwa zeitgleich legten Max Horkheimer und Theodor W. Adorno ihre wirkmächtige Relektüre der Odyssee im Zeichen einer „Dialektik der Aufklärung“ vor, wonach die Aufklärungsvernunft stets ins Mythische wiederumschlage, während umgekehrt der Mythos die ratio antizipiert. Zu dieser „Dialektik der Aufklärung“ stellt wiederum Hans Blumenbergs Buch „Arbeit am Mythos“ ein Gegenstück und eine polemische Replik dar. Und ein nochmal ganz anderer Zugriff auf die Frage, was eigentlich ein Mythos sei und welche Struktur ein Mythos habe, findet sich in der sogenannten „Semiologie“ von Roland Bartes („Mythen des Alltags“).

Im Durchgang durch diese Positionen aus der Geschichte der Philosophie wollen wir uns die Frage nach dem „Fortleben“ und den neuen Konfigurationen des Mythischen in der Politik und der Gesellschaft unserer gegenwärtigen Zeit vorlegen.
Literatur s.o.

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Keine Einordnung ins Vorlesungsverzeichnis vorhanden. Veranstaltung ist aus dem Semester SoSe 2018 , Aktuelles Semester: SoSe 2024