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Foto: Matthias Friel
Die Vorlesung beschäftigt sich mit verschiedenen einschlägigen Frauenbildern in der Literatur des 19. Jahrhunderts und zeigt deren Wandel im Laufe der Epochen von der Romantik bis zum Naturalismus auf. Im Zentrum stehen Romane und Novellen, ergänzend werden Opern sowie Bildwerke herangezogen. Behandelt werden die prominentesten Beispiele. Dies sind Texte vor allem der französischen Literatur, die im 19. Jahrhundert mit dem Siegeszug des realistischen Romans und einer reichen Novellenproduktion die Führungsrolle übernimmt und ein europäisches bzw. globales Ausstrahlungsphänomen bildet. Hinzu treten vereinzelt Beispiele aus der italienischen Literatur. Die deutsche Literatur spielt ebenfalls eine Rolle, sie kreiert mit Goethes Die Leiden des jungen Werther (1774) einen Roman, dessen Charaktere modellbildend auf die italienische und französische Literatur wirken und diese um 1800 bestimmen.
Wir beginnen mit diesem Komplex der sogenannten Wertheriaden und dem Dilemma der Frauen zwischen Liebe und Ehe: Neben dem Ausgangstext von Goethe sollen einige Adaptationen vorgestellt werden: Foscolos Ultime lettere di Jacopo Ortis (1802), Juliane von Krüdeners Valérie (1803) sowie Mme de Staëls Delphine (1802).
Die Zeit um 1800 ist eine Blütezeit weiblichen Schreibens. Die Autorinnen reflektieren ihre eigene Rolle zwischen Leben und Schreiben bewusster als je zuvor und werfen dabei das Problem der femme supérieure auf, in einer Männerwelt erfolgreich zu sein: Als zentrale Beispiele behandeln wir den Text La femme auteur (1802) von Mme de Genlis sowie den komplexen Roman Corinne ou l’Italie (1807) von Mme de Staël, der an die antiken Vorbilder von Sappho und Korinna anknüpft. Chateaubriands René (1802) behandelt eine andere Facette, den Inzest: Auch hier spielen Entsagung und Liebestod der weiblichen Protagonistin eine Rolle. Dies ist auch der Fall in Mme de Duras‘ Kurzroman Ourika (1823), der die entsagungsvolle Liebe und den qualvollen Tod einer ehemals schwarzen Sklavin in Paris erzählt.
Balzac entwirft in seinem Roman La Peau de chagrin (1831) zwei gegensätzliche Frauentypen: den aus Sicht der Männer ebenso verführerischen wie zerstörerischen Vamp-Typ der femme fatale auf der einen Seite und die Sylphide auf der anderen. Die Frau als Sylphide steht für ein ätherisches Wesen der Luft, ein romantisch verklärtes Idealbild als engelhafte Verkörperung der Traumfrau und als Dispositiv des männlichen Wünschens und Begehrens. In dem Roman La femme de trente ans (1829 und 1842), der hier ebenfalls vorgestellt werden soll, erforscht Balzac für die Literatur erstmals den neuen Typ einer reifen Frau auf dem Höhepunkt ihrer Weiblichkeit.
Einen weiteren Komplex bildet der Mythos der bohémienne Carmen, den wir auf der Folie der Novelle Carmen (1847) von Mérimée sowie in seiner popularisierten Form in Gestalt der gleichnamigen Oper (1875) von Bizet analysieren. In der durch Wildheit, Freiheitsdrang und Stolz bestimmten rebellischen Zigeunerin erfährt der femme fatale-Typ eine Aufgipfelung und wird zu einer Art dämonischem Übermenschen im Sinne Nietzsches gesteigert, den es aus misogyner und christlich-kirchlicher Sicht auszumerzen gilt.
In der Mitte des Jahrhunderts kommt ein anderes Frauenbild auf: die Halbweltdame. Sie ist eine veredelte gesellschaftsfähige Variante der Kokotte. Wir betrachten sie anhand von La Dame aux camélias (1848) von Dumas fils sowie der Oper La Traviata (1853) von Giuseppe Verdi. Die idealisierte edle Hure wird zu einer Projektionsfläche des Begehrens des Bürgers der Großstadt in einer durch Triebverzicht bestimmten Gesellschaft.
Einen weiteren Komplex bildet der Vergleich der berühmten Ehebruchsromane, in denen gelangweilte, unausgefüllte Frauen auf Abwege geraten und letztlich mit ihrem qualvollen Tod dafür büßen müssen: Flauberts Madame Bovary (1857), Ernest Feydeaus Fanny (1858) sowie als deutsches Gegenstück Fontanes Effi Briest (1874), ähnlich auch Theodor Storms Novelle Aquis submersus (1876). Einen weiteren Schritt geht der vierhändig verfasste Roman Germinie Lacerteux (1864) als Erfindung des naturalistischen Romans durch die Frères Goncourt. Hier steht erstmals ein Dienstmädchen im Zentrum der Handlung. Die Novelle Boule de Suif (1879/1880) von Maupassant und der große Prostituiertenroman Nana (1880) von Zola vervollständigen das Gesamttableau der Frauenbilder und zeigen dessen Variantenreichtum zum Ausgang des 19. Jahrhunderts.
Zur Einführung:
- Fabienne Bercegol und Cornelia Klettke (Hg.), Les femmes en mouvement – L’univers sentimental et intellectuel des romancières du début du XIXe siècle. Actes du Colloque de Sanssouci du 29 au 31 octobre 2015. Berlin: Frank & Timme, 2017 (Sanssouci – Forschungen zur Romanistik; Bd. 13).
Weitere Literaturhinweise auf Nachfrage.
Die Veranstaltung findet asynchron statt. Es werden Folien bereitgestellt, die Sie rezipieren können, wann immer Ihre Zeit es erlaubt.
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