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Foto: Matthias Friel
Randgruppensprachen sind Sprachen, die von sozial benachteiligten Gruppen als ‚Anti-Sprachen‘ (Halliday 1976) zum Ausdruck der eigenen Gegenkultur verwendet werden. Soziolinguistisch können Randgruppensprachen zusätzliche Funktionen erfüllen, wie z. B. als Geheimsprachen beim Warenhandel oder in kriminellen Milieus dienen (Efing & Arich-Gerz 2017) oder sich zu in mehrsprachigen Arbeitervierteln gesprochenen Soziolekten entwickeln. Linguistisch gesehen weisen Randgruppensprachen unter anderem lexikalische, phonetische und morphologische Besonderheiten auf, die von ihren kontextspezifischen Funktionen geprägt sind und das idiologische Weltwissen ihrer Sprecher*innen widerspiegeln (Sanga 1989).
Im Rahmen dieses Seminars beschäftigen wir uns mit Italienisch-basierten Randgruppensprachen. Im ersten Teil werden die Studierenden in die Grundlagen und Methoden der Randgruppensprachenforschung eingeführt (Siewert 2003). Wir werden insbesondere über die fließenden Grenzen zwischen ‚Randgruppensprachen‘ und anderen benachbarten linguistischen Beschreibungskategorien, wie z. B. Sondersprachen, Mischsprachen, Jugendsprachen, Jargons oder Pidgin, reflektieren (Schafroth 2005) sowie diachrone und synchrone Verfahren zur Dokumentation und Erforschung von Randgruppensprachen besprechen. Ziel ist es, dass sich die Studierenden einen Überblick über die Sekundärliteratur verschaffen und ihre eigenen Fragestellungen entwickeln. Im zweiten Teil des Seminars werden wir Aufsätze über einzelne Randgruppensprachen des Italienischen lesen und diskutieren. Diese reichen von den spätmittelalterlichen Sondersprachen, die z. B. von fahrendem Volk (Hausierer*innen, Gauner*innen, Schausteller*innen usw.) verwendet wurden, bis hin zu den Varietäten des (post)kolonialen Italienisch (Marcato 2013, Berruto 2001 für einen Überblick). Die Studierenden werden dazu eingeladen, über diese oder andere Randgruppensprachen ihrer Wahl zu recherchieren und mündliche Präsentationen zu halten. Neben einer aktiven Teilnahme muss eine Verschriftlichung des Referates im Umfang von ca. 5 Seiten bis zum 30.09.2022 als Studienleistung eingereicht werden.
Die Sprachen des Seminars sind Deutsch und Italienisch. Zu jeder Sitzung werden wir Aufsätze auf Deutsch sowie auf Italienisch und Englisch lesen.
Literatur (Auswahl)
Berruto, Gaetano (2001): Italienisch. In: Sociolinguistica 15 (1), 72–95.
Efing, Christian & Arich-Gerz, Bruno (2017): Geheimsprachen. Geschichte und Gegenwart verschlüsselter Kommunikation. Wiesbaden: marixverlag.
Halliday, Michael A. K. (1976): Anti-Languages. In: American Anthropologist 78 (3), 570–584.
Marcato, Carla (2013): I gerghi italiani. Bologna: Il Mulino.
Sanga, Glauco (1989): Estetica del gergo. Come una cultura si fa forma linguistica. In: La ricerca folklorica 19, 17–26.
Schafroth, Elmar (2005): Zum Problem der Definition von Argot und Gergo. In: Romanische Forschungen 117 (3), 285–309.
Siewert, Klaus (2003): Grundlagen und Methoden der Sondersprachenforschung. Mit einem Wörterbuch der Masematte aus Sprecherbefragungen und den schriftlichen Quellen. Wiesbaden: Harrassowitz.
3 LP: Mündliche Präsentation und Verschriftlichung des Referates im Umfang von ca. 5 Seiten
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