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Foto: Matthias Friel
Eine erschütternde Sonderform der uns heute überlieferten Briefe aus den großen Kriegen der Vergangenheit bilden die sog. Letzten Briefe. Dabei handelt es sich um briefliche Mitteilungen von Soldaten unmittelbar bevor sie bei den Kriegshandlungen zu Tode kamen oder ›gefallen‹ sind, wie es der Sprachgebrauch (noch heute) verharmlost. Diese Selbstzeugnisse kann man innerhalb der hochgradig durchorganisierten Feldpostsysteme des Ersten und Zweiten Weltkriegs in bestimmte Gruppen unterteilen. Dabei reicht das Spektrum vom sogenannten ›Gefallenenstück‹ bis zum verhüllten oder auch ›unbewussten‹ Abschiedsbrief des einfachen Soldaten. Und der ist natürlich eine Interpretationssache, die unser ganzes Gespür als Mensch erfordert. Der ›letzte Brief‹ als bewusst im Angesicht des Todes verfasster Abschiedsbrief besitzt zudem Entsprechungen im 19. Jahrhundert. Dabei handelt es sich beispielsweise um die Vermächtnisbriefe von höheren bzw. höchsten Offizieren wie Major Arthur Heyland (am Vorabend von Waterloo 1815) oder Admiral Horatio Lord Nelson (vor der Schlacht bei Trafalgar 1805). Kaum überraschend, dass diese Zeugnisse von der Militärgeschichte oft unzulässig überhöht wurden. Dies ist nur einer unter mehreren Aspekten, an denen wir unseren kritischen Blick als Historikerinnen und Historiker schärfen wollen. Bei Feldpost des 20. Jahrhunderts handelt es sich in der Masse im Übrigen keineswegs um eine männlich dominierte Textsorte, ganz im Gegenteil (z. B. Eine Soldatenheimschwester an der Ostfront. Briefwechsel von Anette Schücking mit ihrer Familie (1941-1943), hrsg. von Julia Paulus et al.; 2015). Darum wird auch die Geschlechter-Problematik bei der Lektüre und Deutung dieser Selbstzeugnisse in unserem Seminar eine wichtige Rolle spielen. Die Veranstaltung findet 14–täglich statt! Um Voranmeldung wird gebeten unter charlier@uni-potsdam.de.
Literatur: (1) Hellmuth Karasek (Hrsg.): Briefe bewegen die Welt [Bd. 6:] Feldpost. Vom Dreißigjährigen Krieg bis heute. Kempen 2013. – (2a) Ortwin Buchbender/Reinhold Sterz (Hrsg.): Das andere Gesicht des Krieges. Deutsche Feldpostbriefe 1939-1945. München 1982; (2b) Jens Ebert (Hrsg.): Feldpostbriefe aus Stalingrad. November 1942 bis Januar 1943. Göttingen 2003; (2c) Gerhard Oberleitner: Geschichte der Deutschen Feldpost 1937-1945. Innsbruck 1993 – (3a) The Letters of Vice Admiral Lord Viscount Nelson, [edited] with notes by N. Harris Nicolas. 7 Vols., London: Henry Colburn 1844-46 [= Reprint: Chatham Publishing 1998]; (3b) Gareth Glover: Letters from the Battle of Waterloo. London 2004Semesterapparat: https://web.ub.uni-potsdam.de/php/dat/*8478FC34167C288EC84EF77F2934D99731346698.phpInternet: »Das Feldpost-Archiv« [Museum für Kommunikation Berlin]: http://www.feldpost-archiv.de/feldpost-d.html. – »Feldpost des Zweiten Weltkriegs«: https://jugend1918-1945.de/feldpost/default.aspx [= EzG: Editionen zur Geschichte] − »Letters to Loved Ones«: https://www.iwm.org.uk/history/letters-to-loved-ones [= Briefsammlungen britischer Militärangehöriger aus dem Ersten Weltkrieg im Imperial War Museums, London u. a.]
Zu erarbeitende Studienleistungen:
1. schriftliches Protokoll einer Seminarsitzung;2. Vortrag bzw. Präsentation zu einem Aspekt der Feldpost-Forschung; individuell oder als Gruppenarbeit (bis max. 3 Personen);3. schriftliche Ausarbeitung, Seminararbeit (12 S.).
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