PULS
Foto: Matthias Friel
Thornton Wilder zeichnet in seinem Roman Heaven’s My Destination von 1935 die Figur des George M. Brush: Er arbeitet als Handlungsreisender für Schulbücher und will zwanghaft in allen Bereichen moralisch glänzen will. Obwohl er in jeder Hinsicht moralisch vorbildlich agiert, ist er ein höchst unangenehmer Mensch, dem allgemeine Abneigung entgegengebracht wird. Auch in unserem Alltag begegnen uns Menschen wie Brush, die es mit Moral zu übertreiben scheinen: Sie werden altmodisch als ‚Tugendbold‘ und neudeutsch als ‚Gutmenschen‘ bezeichnet. Aber kann man es mit der Moral wirklich übertreiben? Handlungen, die über die Pflicht hinausgehen, werden moralphilosophisch als ‚Supererogationen‘ bezeichnet. Weil sie moralisch freiwillig sind, verdienen sie eigentlich hohe moralische Anerkennung. (1) Das Seminar führt zunächst in die Theorie der Supererogation ein. (2) Dann wird unter Rekurs auf Grundlagentexte der feministischen Ethik sowie am Beispiel des Soldatenberufs einerseits und der häuslichen Pflege andererseits (die bis heute überwiegend von weiblichen Familienmitgliedern geleistet wird) aus feministischer Sicht gefragt, ob es im Bereich des supererogativen Handelns restriktive geschlechtsspezifische Rollenbilder gibt, die es zu überwinden gilt. (3) In einem dritten Teil wird die Frage nach dem Stellenwert von moralischen Vorbildern in der Erziehung zur Moral gestellt: der Fokus liegt dabei auf Kants Methodenlehre der Reinen Praktischen Vernunft, in der sich Kant äußerst skeptisch gegen den Einsatz von moralischen Vorbildern äußert, weil sie entweder „Abscheu“ erwecken oder aus falschen Gründen bewundert werden.
vgl. moodle
Erwartet wird die regelmäßige Mitarbeit und Vorbereitung der Seminartexte. Für die Leistungserfassung sind Thesenpapiere zu zwei Seminartexten und Leitung der jeweiligen Seminar-Diskussionen nach dem Vorbild der Sektionsleitung bei philosophischen Tagungen vorgesehen.
© Copyright HISHochschul-Informations-System eG