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Foto: Matthias Friel
Begriffe der postkolonialen Literatur, in etwa Homi Bhabhas „Mimikry”, werden vermehrt verwendet, um den (post-) sowjetischen Raum zu beschreiben. Dieses Seminar will sich einer Überprüfung dieser Herangehensweise widmen. Dafür wählt es das Beispiel Belarus – und speziell die Art und Weise, wie der Zweite Weltkrieg in der belarusischen Nachkriegsliteratur behandelt wird.
Der Zweite Weltkrieg ist bis heute der zentrale historische Moment so gut wie aller belarussischen Geschichtsdiskurse. Zu Zeiten der Sowjetunion galt der heldenhafte Partisanenkampf des belarussischen Volkes als Gründungsmythos der sowjetisch-belarussischen Nation – woran die staatliche Ikonografie der Regierung Lukasenka bis heute anknüpft. Gleichwohl lässt bereits die belarussische Nachkriegsliteratur an dieser Mythologisierung zweifeln: Hier ist der Partisan oft nicht rein positiver Held, sondern ein zwischen die Fronten geworfener Mensch, Opfer fremder Mächte, manchmal selbst Täter. Gleichzeitig wird seine Gegenposition, der Kollaborateur mit den Besatzern, ebenfalls verkompliziert, der Unterschied zwischen beiden zu einem graduellen – wenn auch vielleicht entscheidenden.
Diesem Umdeutungsprozess wird das Seminar nachgehen. Dafür wird zunächst grundlegende Literatur der postcolonial studies gelesen, um eine Idee von deren historischem Entstehungskontext und den von ihr gesuchten Potentialen zu entwickeln. Anschließend wird slavistische Literatur besprochen, die versucht, postkoloniale Begrifflichkeiten auf den (post-) sowjetischen Raum anwendbar zu machen. Schließlich wird diese Anwendung versucht – an den belarussischen Nachkriegstexten.
1 Referat (ca. 20 Min.)
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