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Foto: Matthias Friel
Laut Modulbeschreibung soll es in diesem Seminar darum gehen, Kunstunterricht begründen, planen und bewerten zu lernen, um anschließend in der Lage zu sein, ihn für ausgewählte Zielgruppen zu planen, durchzuführen und zu reflektieren.
Irritierend an dieser Formulierung ist, dass die Planbarkeit des Unterrichts selbst darin gar nicht in Frage gestellt, sondern - ganz im Gegenteil - als gegeben hin- und als Voraussetzung für alle darauf aufbauenden Planungsparameter, -methoden und -strategien angenommen wird. Die grundsätzliche Frage, ob bzw. inwieweit gerade Kunstunterricht überhaupt planbar ist, planbar sein kann und planbar sein will, bleibt davon unberührt. Die Kunst selbst als Gegenstand des Faches jedenfalls ist es mitnichten: Fragt man Kunstschaffende nach ihren Arbeitsprozessen und -strategien auf dem Weg zur Realisierung einer künstlerischen Arbeit, erhält man als Antwort nur selten das Bild eines im Vorhinein klar antizipierbaren Prozesses, der linear auf ein bestimmtes Produkt hinausläuft, das am Ende anhand vorher feststehender Beurteilungskriterien bewertbar wäre. Künstlerische Prozesse verlaufen anders. Sie entstehen oft zufällig oder planlos, ihre Entwicklung braucht Zeit für Zufall, Einfall und - auch mal - Reinfall, Raum für Inspiration, Irritation, Innovation. Wo und wie können diese für kreative Prozesse maßgeblichen Operationen in einem Kunstunterricht stattfinden, der von vornherein antizipierbar ist?
Der hier angedeutete (vermeintliche) Widerspruch zwischen Kunst und Pädagogik, der ebenso alt ist wie die Klage darüber, wird uns in diesem Semester beschäftigen. Allerdings wollen wir keineswegs resigniert vor ihm erstarren, sondern von ihm ausgehend in Bewegung kommen und nach konstruktiven Möglichkeiten suchen, um die Planung von Kunstunterricht flexibler zu denken.
In einem ersten Teil des Seminars wird es darum gehen, bestehende Zielsetzungen, Planungsraster und Strukturmodelle von (Kunst)unterricht kennenzulernen und gemeinsam (kritisch) im Hinblick auf die (V)er(un)möglichung künstlerischer Prozesse zu reflektieren: Was an diesen Modellen ist warum für den Kunstunterricht (un)brauchbar?
Im zweiten Seminarteil wollen wir, inspiriert von ausgewählten theoretischen Positionen, sowohl mental als auch körperlich in Bewegung kommen und alternative Denk-, Sicht- und Handlungsweisen auf bestehende Prozesse, Strukturen und Rollenverteilungen in der (Kunst)vermittlung kennenlernen: Wie und wodurch kann Kunstvermittlung stärker „von Kunst aus” (Sturm, 2011) gedacht werden?
In einem dritten Seminarteil schließlich sollen auf der Basis der zuvor erworbenen theoretischen Kenntnisse eigene Unterrichtsverläufe erarbeitet werden, in denen sich das Kredo des Seminars „in Bewegung” sowohl thematisch als auch handlungspraktisch niederschlagen wird. Erdacht, erprobt und erörtert wird jetzt ein konstruktiver Umgang mit der prinzipiellen (Un)planbarkeit von Kunstunterricht: Wie kann ganz konkret Bewegung in die Planung und damit auch in die Praxis von Unterricht gelangen?
Literaturauswahl *
Berner, Nicole / Bader, Nadia / Rieder, Christine u.a. (2022): Exkurs: Unterricht in Kunst/Gestalten fachdidaktisch planen. In: Berner, N. (Hg): Kernfragen der Kunstdidaktik. Kapitel 2.5. Bern: Haupt Verlag. S. 109 – 124.
Beuys, Joseph (2013): Das Bildnerische ist unmoralisch. Gespräch mit Siegfried Neuenhausen, wiederabgedruckt in: Wetzel, T. / Lenk, S. (Hg): Mit Ecken und Kanten, kopaed Verlag. München, S. 31 - 40.
Deutsches Schulportal der Robert Bosch Stiftung (Hg) (2021): Was macht guten Unterricht aus? Einsehbar unter: https://deutsches-schulportal.de/unterricht/was-macht-guten-unterricht-aus/ (letzter Zugriff am 05.10.2024).
Engel, Birgit (2020): Ästhetische Aufmerksamkeit – Movens einer reflexiv-offenen und kritisch-innovativen Praxis in Kunst und Pädagogik. In: Pazzini, K.-J. / Sturm, E. / Legler, W. / Meyer, T. (Hg): Kunstpädagogische Positionen 50. Hamburg University Press. einsehbar unter: https://kunst.uni-koeln.de/_kpp_daten/pdf/KPP50_Engel.pdf (letzter Zugriff am 05.10.2024).
Engel, Birgit (2019): Der künstlerische Prozess als offener Wahrnehmungsraum. In: Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (Hg.): kubi – Magazin für Kulturelle Bildung. Heft 17-2019: Widerstehen – sich selbst positionieren. Berlin. S. 53-55.
Karl, Notburga (2020): Zeichnen als formende Sensibilisierung: Was Körper von Körpern lernen können. In: Zeitschrift ästhetische Bildung. Jg. 12 / 2020 / 1. S. 1-14. Einsehbar unter: http://zaeb.net/wordpress/wp-content/uploads/2020/05/Karl_April-20CR-kleiner.pdf (letzter Zugriff am 05.10.2024).
Lenk, Sabine / Wetzel, Tanja (2016): Kunstpädagogische Kompetenz braucht eine Haltung. In: Zeitschrift Kunst Medien Bildung | zkmb 2016. Einsehbar unter: https://zkmb.de/kunstpaedagogische-kompetenz-braucht-eine-haltung/ (letzter Zugriff: 06.10.2024).
Leisen, Josef (2017): Die Strukturierung und Planung von Unterricht. Einsehbar unter: https://www.josefleisen.de/downloads/lehrenlernen/10%20Strukturierung%20und%20Planung%20von%20Unterricht%20.pdf(letzter Zugriff am 05.10.2024).
Lühmann, Hinrich (2013): Was wirkt in Schule und Unterricht? In: Wetzel, T. / Lenk, S.: Mit Ecken und Kanten. Kunstunterricht als eine Frage der Haltung. kopaed Verlag. München. S. 17-28.
Maset, Pierangelo (2012): Kunstvermittlung heute: Zwischen Anpassung und Widerständigkeit. In: Pazzini, K.-J. / Sturm, E. / Legler, W. / Meyer, T. (Hg): Kunstpädagogische Positionen 27. Hamburg University Press. Einsehbar unter:https://kunst.uni-koeln.de/kpp/2022/12/20/kunstvermittlung-heute-zwischen-anpassung-und-widerstaendigkeit/ (letzter Zugriff am 05.10.2024).
Meyer, Hilbert (2011): Was ist guter Unterricht? Cornelsen Verlag. Berlin. Zusammenfassung eingesehen unter: https://www.uni-frankfurt.de/83960548/Meyer_10_Merkmale_guten_Unterrichts.pdf (letzter Zugriff am 05.10.2024).
Pazzini, Karl-Josef (2005): Kann Didaktik Kunst und Pädagogik zu einem Herz und einer Seele machen oder bleibt es bei ach zwei Seelen in der Brust? In: Pazzini, K. J. / Sturm, E. / Legler, W. / Meyer, T. (Hg): Kunstpädagogische Positionen 8. Hamburg University Press. Einsehbar unter: https://kunst.uni-koeln.de/kpp/wp-content/uploads/sites/5/2023/04/KPP08_Pazzini.pdf (letzter Zugriff am 05.10.2024).
Rancière, Jacques (2005): The Emancipated Spectator. Ein Vortrag zur Zuschauerperspektive. In: Texte zur Kunst. Heft Nr. 58 / Juni 2005: Betrachter Innen. S. 34 – 51.
Reeh, Ute (2020): Löcher im System. In: Engel, B. / Loemke, T. / Böhme, K. / Agostini, E. / Bube, A. (Hg): Im Wahrnehmen Beziehungs- und Erkenntnisräume öffnen. Ästhetische Wahrnehmung in Kunst, Bildung und Forschung, S. 203-222.
Selle, Gert (2005): Über Unsicherheiten im Raum pädagogischer Erwartung. Horst Rumpf zum Fünfundsiebzigsten. In: BDK-Mitteilungen 3/2005. S. 14-15.
Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie (2017) (Hg): Rahmenlehrplan Teil C Kunst (Jg. 1 – 10): Fachübergreifende Kompetenzentwicklung Sprach- und Medienbildung. einsehbar unter: https://bildungsserver.berlin-brandenburg.de/fileadmin/bbb/unterricht/rahmenlehrplaene/Rahmenlehrplanprojekt/amtliche_Fassung/Teil_C_Kunst_2015_11_10_WEB.pdf (letzter Zugriff: 31.03.2024).
Sternfeld, Nora (2014): Verlernen vermitteln. In: Pazzini, K.-J. / Sturm, E. / Legler, W. / Meyer, T. (Hg): Kunstpädagogische Positionen 30. Hamburg University Press. Einsehbar unter: https://kunst.uni-koeln.de/_kpp_daten/pdf/KPP30_Sternfeld.pdf (letzter Zugriff am: 05.10.2024).
Sturm, Eva (2012): Die Position „Von Kunst aus“ in 9 Punkten dargelegt. Rede für kunstvermittlungs-interessierte Leserinnen und Leser (Text mit Klammern). Oder: Vom Arbeiten mit Kunst. Einsehbar unter: http://publikation.kulturagenten-programm.de/files/kulturagenten/executes/kulturagenten-diepositionvonkunstausinpunktendargelegt005d.pdf?documentid=161 (letzter Zugriff am 05.10.2024).
Wetzel, Tanja (2018): Beweglich bleiben! In: Kirschenmann, J. / Richter, C. / Spinner, Kaspar H.: Reden über Kunst. Fachdidaktisches Forschungssymposium in Literatur, Kunst, Musik. Kopaed, München. S. 261 – 270.
* alle hier genannten Texte werden in gescannter Form über moodle zur Verfügung gestellt.
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